Lampenfieber



Sinnliches Improvisationstheater am 01. April 2010

IMPRO 2010 - Stimmige Stunts in der Klavierbauwerkstatt Goecke und Farenholtz. Den sinnlichen Fundus an Gefühlen und Stimmungen in der Klavierbauwerkstatt Goecke und Farenholtz wollten die Impro-Profis ausschöpfen. Und um es gleich vorweg zu nehmen - sie schöpften aus und zwar aus dem Vollen.

Bild vergrößern Wo vor der Show von Mitarbeitern noch Leimreste von den Werkbänken entfernt und Klaviere gestimmt wurden, wartet eine kleine aber feine Schar auf Improvisation Eingestimmter mit glänzenden Augen auf das Publikum. Ja, die Augen glänzten und man konnte förmlich spüren, wie sie in Gedanken aus den Zangen, Saiten, Kisten, Klavieren und Umlegeböcken Requisiten entstehen ließen.

Die warme Atmosphäre der Werkstatt ging unmittelbar auf das eintreffende Publikum über, das Publikum dankte es und nahm wie selbstverständlich die Werkstatt ein. Irgendwie hatte die Show damit schon begonnen, mischte sich Publikum mit Spielern und Mitarbeitern, entstand Enge und aus Enge entstand Nähe.

Von Lampenfieber war keine Rede, nicht bei den Akteuren, nicht bei den Zuschauern in der Angst, plötzlich von den Spielern auf die "Bühne" gezerrt zu werden. Allein Sonja Vilc zelebriert ihr Lampenfieber bildlich - einfach, großartig.

Bild vergrößern Unbeabsichtigt stimmig auch der Stunt von Robert Munziger, der in seiner unnachahmlich explosiven Spielart an den Lastenkran springt und dabei ganz spontan anstelle des Lasthakens die Steuerelektrik greift. Doch was schwere Klaviere bewegt muss auch Schall transportieren können und wird von Improspielern dann eben kurzerhand als Mikrofon weiter verwendet.

Angesichts dieser vandalistischen Verwendung seiner Werkstatt erstaunt es umso mehr, dass der eigentliche Star der Show niemand anderes als der Mitinhaber Christophorus Goecke selbst war. Musste er zu Anfang noch von Barbara Klehr auf die Bühne gezerrt werden, um mit kleinen Geschichten aus dem Alltag des Klavierbauens Publikum und Akteure zu inspirieren, fand er mehr und mehr Gefallen an seiner Aufgabe. Wie etwa die Geschichte von dem nach Ehestreit mit derben Schimpfwörtern verkratzten Flügel, der zur Reparatur seinen Weg in die Werkstatt fand. Oder die Frage was passiert, wenn ein Piano aus dem Fenster fällt. Und da keiner der Anwesenden angesichts der anwesenden Musikinstrumente ein am Boden zerschmettertes Piano sehen wollte, wurde kurzerhand Newton bemüht, der - wie einleuchtend - einfach die Erde dem Piano näher kommen ließ. Stimmt ja auch.

Doch zurück zum Star des Abends. Impro funktioniert und wenn es so stimmig funktioniert wie an diesem Abend mit all diesen Beteiligten, dann ist das ein Traum, den ein traumhaft an Klavier und Cembalo improvisierender Rudi Redl in Musik fasst.

Und wie Christophorus Goecke fragen sich zum Abschluss alle, ob der Lebenstraum Wirklichkeit geworden ist und finden ihn verstaubt in der untersten Schublade der Werkstatt, in, wie könnte es anders sein, stark reparaturbedürftigem Zustand.

Atmosphäre, Wärme, Nähe - dieser Ort hat ganz bestimmt das Zeug, dauerhaft bespielt zu werden!

Der Text und die Fotos zu diesem Artikel stammen von Michael Flürenbrock.